Wohnmobil kaufen oder nicht?

Wohnmobil kaufen oder nicht - Überlegung vor Anschaffung eines Wohnmobils

"Lass' uns doch ein Wohnmobil kaufen!" - seit mehreren Jahren hört man diesen Satz immer häufiger in bundesdeutschen Haushalten. Urlaub in den eigenen, ortsungebunden vier Wänden boomt. Alleine im Jahr 2020 wurden über 78.000 Wohnmobile und 28.600 Caravans neu zugelassen [Quelle: https://de.statista.com/]. Das entspricht einem Wachstum von über 40 Prozent im Vergleich zum Vorjahr bloß bei den Wohnmobilen. Nach deren Bestandszahlen in den Bundesländern hat Nordrhein-Westfalen die Nase vorn, gefolgt von Bayern und Baden-Württemberg.
Der jahrelange Trend hält an. Ein Ende der Camping-Hochkonjunktur ist nicht in Sicht. Sie überlegen sich ein Teil dieser Entwicklung zu werden? Wäre ein mobiles Zuhause eine passende Anschaffungsoption für Sie und Ihre Familie?

Der folgende Artikel geht nicht auf die unterschiedlichen Wohnmobilmodelle ein. Er möchte sensibilisieren, ob für Sie im individuellen Einzelfall eine entsprechende Investition überhaupt in Frage kommt.

Gründe: Warum kaufen Menschen ein Campingfahrzeug?

Der Traum vom Wohnmobil

Es ist wohl der Traum der großen Freiheit. Autonome Mobilität gepaart mit der Tatsache überall sein Daheim dabei zu haben.

Hochglanz-Werbeprospekte der WoMo-Hersteller protegieren die Schwärmerei vom ultimativen Stellplatz in grandioser Natur. Einsamkeit garantiert. See und Lagerfeuer eine Selbstverständlichkeit. Sonnenuntergang sowieso. Eltern vor dem WoMo im Candlelight-Dinner-Feeling auf modischen Campingmöbeln mit einem Glas Wein in der Hand. Glückliche Kinder spielen Ball. Auch der Familienhund, der die Idylle vervollkommnet, sprüht Wohlbehagen aus.

Das Klischee des Campingparadieses lebt und ein Hauch von Abenteuer liegt in der Luft.

Sind Sie ein Abenteurer?

Wer Wert auf täglich vom Hotelpersonal frisch gemachte Betten legt, stets auf ein vorbereitetes Buffet und eine Rundum-All-Inclusive-Betreuung hofft, der wird sich als Wohnmobilist schwer tun.

Eigeninitiative ist gefragt. Und zwar rund um alle Themen des menschlichen Daseins:
  • Das Wasser kommt nicht in unbegrenzten Mengen mit jeder gewünschten Temperatur aus der Leitung und auch der größte Fäkalientank ist irgendwann voll.
  • Der Kühl- und Vorratsschrank dagegen irgendwann leer.
  • Genauso fordern Küchenarbeit, Müllentsorgung und schlussendlich das Reinigen des mobilen Zuhauses Eigeninitiative.
  • Reicht der Gasvorrat, um die Heizung zu betreiben und in der Nacht nicht frieren zu müssen?
  • Ist morgens noch genug Gas da, um Kaffee zu kochen?
  • Wie sieht es mit den Elektro-Akkus aus?
  • Hat die Solarzelle auf dem Dach tagsüber genug Strom erzeugt, um abends genug Energie für Ihre liebgewonnenen Alltagsannehmlichkeiten zu haben?

Hotelpersonal existiert nicht in der Campingwelt. Wenn Sie bereit sind im Urlaub auf Hotelkomfort zu verzichten, dann kommt für Sie die Anschaffung eines Wohnmobils gegebenenfalls in Betracht.

Bedarf: Brauche ich überhaupt ein mobiles Zuhause?

Zwischen "Ich will" und "Ich brauche" klafft ein wahrer Grand Canyon. Wenn Sie über üppige finanzielle Ressourcen verfügen, dann können Sie diesen Abschnitt getrost überlesen. Dem Normalbürger wird dagegen wohl als Erstes ein bedrohliches Eurozeichen durch das Gehirn geistern und das Blut aus den Augen drücken, wenn es um die Idee eines Wohnmobil-Kaufes geht. Denn diese sind teuer. Sehr, sehr teuer.

Überlegen Sie sich an erster Stelle was Sie mit Ihrem angedachten Campingfahrzeug zu tun gedenken und zweitens, wie häufig dies geschehen soll.

Beispiel:Wer im Urlaub nur einen Ort ansteuert und dort bleibt, der ist vielleicht mit einer Ferienwohnung oder einem Hotelzimmer besser bedient, weil komfortabler und nicht teurer. Anders der Mensch, der in der schönsten Zeit des Jahres auf Achse sein möchte und täglich einen neuen Übernachtungsort aufsucht. Das Wohnmobil erspart die allabendliche Zimmersuche.
Wenn Sie diese Fragen für sich beantwortet haben gilt es anschließend einen spitzen Bleistift zu zücken und zu rechnen: Relativiert die voraussichtliche jährliche Nutzungsdauer die hohen Kosten für die Anschaffung und den Unterhalt eines Wohnmobils?

Kosten: Kaufen oder mieten

Wenn Sie planen nur wenige Tage im Jahr campingmäßig unterwegs zu sein ist Mieten vielleicht die bessere Option als Kaufen.

Was kostet mieten?

Der Mietpreis für ein durchschnittliches, familientaugliches Wohnmobil liegt zur Hochsaison gerne bei 200 EUR pro Tag. Kostenfallen sind zusätzlich Pauschalen für Bettwäsche, Handtücher, Geschirr, Campingmöbel und mehr. Dazu kommen noch die Campingplatzgebühren. Unterm Strich sind Sie mit ihrer Familie selbst in einem sehr guten Hotel günstiger untergebracht als in einem gemieteten Wohnmobil auf dem Campingplatz.

Der statistische Durchschnittsdeutsche gibt 71.000 EUR für die Neuanschaffung eines Wohnmobils aus. "Pi mal Daumen" müsste er damit mindestens sechs Wochen pro Jahr unterwegs sein, damit sich die Anschaffung im Vergleich zur Mietoption rechnet.

Denken Sie in der Euphorie des Kaufrausches auch an leicht zu übersehende Kosten wie Camping- und Stellplatzgebühren, höhere Mautkosten gegenüber einem PKW auf den Autobahnen im Ausland und einen der Fahrzeuggröße geschuldeten Aufpreis auf Fahrzeugfähren. Von notwendigen Instandhaltungskosten für Ihr Wohnmobil ganz zu schwiegen, die naturgemäß auf Sie zukommen werden.

Finanztipp:

Die Wertstabilität von Wohnmobilen ist aktuell hoch. In Zeiten von "Straf-Guthabenzinsen" wird das Wohnmobil damit zur interessanten Geldanlage über längere Zeit. Ein gut gewartetes Fahrzeug wird mehr als 25 Jahre alt.

Wohnmobil vermieten: Geld verdienen mit dem eigenen Wohnmobil?

Wohnmobil vermieten - eine Option?

Sollte Ihre Berechnung nach dem vorausgegangenen Abschnitt ein großes Minus vor dem Ergebnis zeigen, dann muss Ihr Traum vom eigenen Wohnmobil noch längst nicht ausgeträumt sein. Es gibt Geschäftsmodelle, um mit Ihrem Wohnmobil Geld zu verdienen.

Gerade Corona hat Start-ups entstehen lassen, die private Wohnmobile über Internetplattformen zur Vermietung vermitteln. Damit steht Ihr Campingfahrzeug in der von Ihnen ungenutzten Zeit nicht sinnlos herum, sondern erfreut andere WoMo-Freunde, die sich noch nicht zur Anschaffung eines eigenen Fahrzeugs durchringen konnten.

Womöglich eine Win-Win-Situation für beide Seiten, wenn Sie sich damit anfreunden können, dass Ihr Wohnmobil eine gewisse Zeit des Jahres von Fremden bewohnt wird.

Auch WoMo-Sharing-Optionen gibt es. Idealerweise selbstorganisiert im Familien-/Freundeskreis. Während die "junge Familie" das Wohnmobil zur (Schul-)Ferienzeit nutzt, sind Oma und Opa außerhalb dieser Zeit damit unterwegs.

"Wie kann man nur so viel Geld ausgeben?"

... wird vielleicht Ihr Nachbar oder Arbeitskollege (neidisch?) fragen. Campingfahrzeuge sind teuer. Ihr Kauf in nicht seltenen Fällen eine Lebensentscheidung so wie der Erwerb einer Immobilie. Bei der aktuellen Marktsituation mit monatelangen Lieferzeiten können es sich die Hersteller leisten in Sachen Preisnachlass für Neufahrzeuge keine Kompromisse eingehen zu müssen.

Der Gebrauchtwagenmarkt ist nahezu leergefegt. Camping-Schrott wird überteuert angeboten - und gekauft! Schnäppchen haben Seltenheitswert.

Eine Kaufentscheidung ist nicht nur vom Geld abhängig.

Gratulation, sollte Ihr finanzieller Hintergrund passen. Erfahrene Camper warnen Neueinsteiger in einem anderen Punkt und wissen neben den Geldfragen auch von einer Kluft zwischen Wunschtraum und Realität zu berichten. Stellen Sie aus diesem Grund das anfangs geschilderte Klischee vom Traumstellplatz mit Lagerfeuer am See ganz weit nach hinten in Ihren Campingvorstellungen!

Gefühlte sechs von zehn Stellplätze werden Sie später irgendwo zwischen "geht so" und "na ja" einordnen, zwei weiter unter "ganz in Ordnung". Nur zwei - wenn überhaupt - werden den Titel "Traumlocations" von Ihnen verliehen bekommen. Diese gibt es zweifellos, aber sie sind sehr dünn gesät.

Freistehen: Behalten Sie die Gesetzeslage im Auge!

In Europa geht nichts ohne Gesetze. Auch Camping nicht. Sie können davon ausgehen, dass freies Übernachten, vulgo "Wildes Campen" (Freistehen), grundsätzlich verboten ist, zumindest in Mittel- und Südeuropa. Bestenfalls können Sie mit Duldung rechnen, im schlimmsten Fall mit horrenden Geldstrafen. So mutiert der Traum vom Stellplatz mit Lagerfeuer am See schnell zur Realität eines Campingplatzghettos.

Sie suchen deshalb einen Glamping-Platz? Nun, dann müssen Sie mit Preisen rechnen, die Sie auch für ein Gästezimmer im Hotel bezahlen müssten, wo Sie im Gegensatz zum Glamping-Platz aber täglich das Bett gemacht und Ihr Zimmer gereinigt bekommen. Um den Haushalt im Wohnmobil müssen Sie sich dagegen selbst kümmern.

Stellplatz: Die Zeit außerhalb des Urlaubs

Sollten Sie sich trotz aller Hürden für den Kauf eines Campingfahrzeugs entscheiden und können sich alsbald stolzer Besitzer eines Wohnmobils nennen, dann werden Sie nur glücklich, wenn Sie sich vorher auch genau überlegt haben, wo das langersehnte Gefährt außerhalb des Urlaubs stehen wird. Dauerunterstellplätze sind absolute Mangelware, der überall knapper werdende öffentliche Parkraum ist keine adäquate Dauerparkoption, wo wir wieder bei gesetzlichen Regelungen wären.

Mit Alltagstauglichkeit trumpfen!

Praktisch im Alltag und unterwegs - der VW California Bus

Das könnte die Lösung für Sie sein: Gefragt sind aktuell vor allem Hybrid-Fahrzeuge oder Cross-Over-Camper. Sie müssen auf der einen Seite alltagstauglich sein, auf der anderen Seite alles für einen autarken Campingurlaub an Bord haben.

Besonders die Millennials, junge Camping-Neueinsteiger von Mitte 20 bis Mitte 30, sind für fast die Hälfte der Wohnmobil-Neuzulassungen in diesem Van- und Kastenwagensegment ursächlich. Der Vorteil der Hybrid-Fahrzeuge: Sie sparen sich möglicherweise ein zweites Fahrzeug, da das Campingmobil auch für Alltagsfahrten genutzt werden kann.

Fazit: "Wehe, wenn sie losgelassen..."

Wenn Sie mit all' den oben beschriebenen Problemfragen umzugehen wissen, diese für sich positiv beantworten können, den für Sie passenden Camper gefunden haben, dann steht Ihnen ab sofort vielleicht nicht die klischeehafte "große, weite Freiheit" offen, jedoch ein Lebensgefühl, das das Maximale an Freiheit bietet, was unsere moderne, streng reglementierte Welt noch bieten kann.

Sie werden zum Abenteurer, zum Pionier. Sie reisen in der schnuckeligen Überlebenszelle Ihres mobilen Heims täglich in einen anderen Sonnenuntergang und fühlen sich frei. Sie werden ein Teil im Fluss der Dinge, der Orte und Zeiten. Sie sind angekommen im Campingnirvana und wünschen sich nur eines: mehr davon!

Checkliste vor dem Kauf eines Wohnmobils

Checkliste:
  1. Bin ich ein Abenteurer?
  2. Bin ich bereit im Urlaub auf den Komfort und Service eines Hotels zu verzichten?
  3. Wie sehen meine finanziellen Ressourcen aus? Kann ich mir ein Wohnmobil leisten?
  4. Bin ich mir im Klaren darüber, wofür ich mein Wohnmobil konkret nutzen möchte?
  5. Bin ich mindestens sechs Wochen pro Jahr im Wohnmobil unterwegs?
  6. Mir ist bewusst, dass "Freistehen" verboten ist?

FAQ

Die häufigsten Fragen zum Ratgeber 'Wohnmobil kaufen oder nicht - Überlegung vor Anschaffung eines Wohnmobils'

Lohnt sich der Wohnmobilkauf?

Hier gibt es nur eine Antwort: Es kommt drauf an. Darauf, wie oft Sie verreisen möchten, wohin Sie fahren wollen und welche Art von Urlaub Sie sich vorstellen. Häufig lohnt sich der Kauf aber mehr das die regelmäßige Miete, denn die Tagessätze sind aktuell sehr hoch.

Wann ist die beste Zeit ein Wohnmobil zu kaufen?

Am besten ist die Zeit nach der Großreisesaison im Sommer: im Herbst und im Winter sind Wohnmobile tendenziell günstiger. Viele Vermieter sortieren ältere Modelle aus und Besitzer entscheiden sich eventuell dafür, ihr Gefährt abzugeben.

Warum sind Wohnmobile so teuer?

Wohnmobile sind beliebt: die Nachfrage bestimmt auch den Preis. Allerdings ist auch die Ausstattung meist deutlich luxuriöser als noch vor 20 oder 30 Jahren. Auch hierfür zahlen Sie also.

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